Dating-Probleme oder "mit dem Mäntelchen der Liebe" - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Dating-Probleme oder "mit dem Mäntelchen der Liebe"


»Mama, wo ist mein neues, blaues T-Shirt?« »In der Wäsche. Wieso fragst du?« »Oh, nein. Heute Nachmittag habe ich Pia zum Eisessen eingeladen. Unser erstes wirkliches Date. Und da ich ganz genau weiß, dass sie auf Blau steht, will ich natürlich mein blaues Shirt anziehen. Ist doch klar, oder nicht? Und jetzt das. Außerdem habe ich gerade heute einen leuchtend roten Pickel auf der Nase. Das darf alles nicht wahr sein.« Unser Großer seufzte tief. Unser Mittlerer grinste und kommentierte betont cool: »Zieh doch das alte, rote Shirt an. Passend zur Pickelfarbe. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, warum du der Pia so imponieren willst? Ich finde sie nicht besonders hübsch.« »Du hast doch noch absolut keine Ahnung, kleiner Bruder. Für mich ist sie das schönste Mädchen der Welt. Ich bin dieses Mal wirklich verliebt.« »Pah, das sagst du doch immer. Bin gespannt, wie lange die Sache dieses Mal hält.«
 
Mein lieber Ernst sah mich an: »Erinnerst du dich an unser erstes Date? Wie sich doch vieles wiederholt. Ich trug damals auch ein rotes Shirt, aber wie bei Pia war Blau deine Lieblingsfarbe, was ich nicht wusste. Trotzdem konnte ich dich anscheinend mit irgendetwas beeindrucken. Okay, ich hatte auch keinen Pickel auf der Nase.« »Schatz, und wenn, dem so gewesen wäre, hätte ich gedacht: Er hat einen Stresspickel, weil er aufgeregt ist. Meinetwegen. Toll! Pia wird vielleicht das Gleiche denken. Ich habe schnell gemerkt, dass du feinfühlig und warmherzig bist. Den Macho hattest du glücklicherweise zu Hause gelassen. Ich wusste schon länger, dass er nur gespielt war. Beeindruckt hat mich deine Energie und „Dranbleiben“, wenn dir etwas wichtig war, wie zum Beispiel ich. Natürlich wollte auch ich dir gefallen und hatte reichlich Make-up und Lippenstift aufgetragen.« »Ja, deine Absicht war im wahrsten Sinne des Wortes gut zu erkennen. Im Verlauf des Abends war dann auch ich geschminkt. Sah gar nicht so schlecht aus.« Mein lieber Ernst lachte. Unsere Kleine wollte wissen: »Papi, du hast die Mami doch bestimmt abgeknutscht. Oder?« Dieser nickte.
 
Auch meine Schwiegereltern, die zufällig zu Besuch waren, wussten von Hindernissen bei der ersten Verabredung, wie es damals hieß, zu berichten. Oma Erni erinnerte sich an die grellen Farben der neuen Krawatte und daran, dass mein Schwiegervater unterschiedliche Socken getragen hatte. Auch sie war überzeugt, dass dieser Umstand ganz sicher seiner Nervosität, weil ansonsten die Ruhe selbst, geschuldet war. Sie sagte: »Liebling, gerade dieses kleine Handicap hat mich amüsiert und den „Ausschlag“ gegeben.« Er konterte: »Erni, dass du extra meinetwegen beim Friseur warst, wie an deiner missglückten Dauerwelle zu sehen, hat auch mich amüsiert. Ebenso deine Duftwolke. Damals wusstest du nicht, dass ich Parfum überflüssig finde. Trotzdem fand ich dich wunderschön und auch dein Duft gefiel mir.« Ich sah, dass sich unsere Jungs heimlich anstießen und grinsten. »Ja, ja, mit dem „Mäntelchen der Liebe“ wird alles scheinbar Missliche zugedeckt. Damals wie heute«, war die Meinung meines Schwiegervaters.
 
Unser Großer resümierte: »Da, bis auf Papa, der beim Daten anscheinend alles richtig gemacht hat, eure Handicaps erfolgreich waren, ziehe ich heute Nachmittag, wenn ich Pia in der Eisdiele treffe, schon mal meinen Schlafanzug an.« Unsere Kleine sagte: »Dazu noch deine Gummistiefel und eine Zipfelmütze.« Jetzt kicherte sie.                               
 
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