"For ever young" oder "Damals" - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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"For ever young" oder "Damals"


Schon seit langem probten unser Großer und seine Band für ein Konzert, das in Kürze stattfinden sollte. Jetzt war einer der Jungs kurzfristig nach einem Streit ausgestiegen, wie unser Sohn meinem lieben Ernst und mir erzählte. Flehentlich sagte er: »Papa, du musst unbedingt einspringen. Bitte! Ich zähle auf dich, denn als du jung warst, hast du mit deiner Band sehr erfolgreich Konzerte gespielt. Warst ein richtiger Promi. Außerdem kannst du noch immer viele begeistern und bist fit genug, um den Konzertstress zu bewältigen. Bitte Papa, lass mich und meine Jungs nicht hängen.« Ernst antwortete zögerlich: »Ich würde dir ja gerne helfen, aber mit damals hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja, damals war ich bekannt für meine ausgefeilten Riffs, aber heute? Na ja. Damals war ich körperlich in Bestform. Und heute?« Ernst sah mich fragend an. Ich lächelte ihn aufmunternd an. »Schatz, ich kann deine Bedenken zwar verstehen, aber, wie sagst du gerne: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Also bündele deinen Optimismus. Ich bin jedenfalls nach wie vor überzeugt und begeistert von deinem Können. Auch wollen wir unsere Kinder, wenn möglich, immer unterstützen. Ich glaube, die Energie zwischen dem Publikum und euch wird allen Flügel verleihen. Das wird schon.« Ernst seufzte, lächelte, nickte. »Also gut, ich mach's.«
 
In den nächsten Wochen wurde fleißig geprobt und dann war er da, der Konzertabend. Es war rappelvoll. Während des Auftritts standen zwei junge Mädchen vor mir, die sich lebhaft unterhielten: »Die sind alle super drauf, auch der Ältere. Er ist übrigens der Vater von einem der Jungs. Ein knuffiger Typ und noch ziemlich fit, wie ich finde. Er hat diese gewisse charismatische jugendliche Ausstrahlung.« Ja, doch, stimmt, dachte ich, und musste lächeln.
 
Glücklich, strahlend und sichtlich zufrieden über den begeisterten Applaus ihrer vielen Fans verließen die Jungs und Ernst die Bühne. Unser Großer umarmte seinen Vater und sagte lässig: »Ernesto, du bist ein cooler Typ. Ich muss schon sagen: immer noch echt super, deine Riffs. Tausend Dank für alles. Hast was gut bei mir. Ist fünfmal freiwillig Rasenmähen okay?« Ernst grinste. »Zehnmal wäre besser. Doch, ja, ist okay. Weißt du, ich bin jetzt froh, dabei gewesen zu sein. War eine tolle Erfahrung. Hat Spaß gemacht. Währenddessen habe ich mich richtig jung gefühlt, aber jetzt? Bin ganz schön fertig. Partymachen ist jetzt nicht mehr drin für mich. Übrigens, du bist auch ein guter Typ, mein Großer. Ich bin sehr stolz auf dich und deine Riffs«
 
Als ich Ernst den Kommentar der Mädchen erzählte, kommentierte er schmunzelnd: »Der knuffige, charmante Typ fühlt sich zwar sehr geschmeichelt, ist jetzt aber völlig fertig und möchte nur noch ins Bett. Damals weißt du noch, Schatz, haben wir auch nach einem langen Konzert noch lange Party gemacht. Ja, damals.« Ich dachte: Ist mein lieber Ernst etwas wehmütig?
 
Plötzlich wurde er von einer Gruppe einstiger weiblicher Fans umringt und mit einem großen Hallo begrüßt. Sie wirkten sehr begeistert und überschütteten ihn mit Komplimenten. Mein lieber Ernst genoss es sichtlich Hahn im Korb zu sein. Ich dachte, wie Damals, und immer noch bin ich eine von ihnen. Jetzt war bei ihm von Müdigkeit und Melancholie nichts mehr zu spüren. Charmant strahlend blickte er in die Runde und immer wieder unterbrochen von Applaus, war von ihm zu hören: »Ja, ja, ist ja schon gut. - Danke, tausend Dank. Toll, dass ihr alle gekommen seid. - Dass ihr mir all die Jahre treu geblieben seid, mich nicht vergessen habt, ja, ich muss sagen, das rührt mich sehr. -  Ja, ja, ist ja schon gut. - Danke, danke, danke. -  Wisst ihr, das Konzert hat mich total belebt. Ich fühle mich so richtig fit und jung. Wie heißt es doch so schön: For ever young! -  Wo gehen wir denn jetzt noch hin? Ich lade euch ein. Schatz, hast du vielleicht eine Idee?«
Ich dachte: For ever young? Party? Auf einmal? Wir lächelten uns an und ich sagte: »Schatz, wir könnten ...«
 


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