"Ein Hoch auf die Puschen" oder "Der Wollschal ist die neue Krawatte" - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Gespräche, Kurzgeschichten
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"Ein Hoch auf die Puschen" oder "Der Wollschal ist die neue Krawatte"


In Erinnerung an die Zeit der Corona-Krise

Es duftet nach zu Hause, da, waren sich unsere Kinder und mein lieber Ernst einig, was naturgemäß nicht immer der Fall sein kann. Entsprechend war sein Kommentar: »Schatz, die Lauchsuppe mit Curry hat köstlich geschmeckt, auch der Apfelkuchen, der so herrlich nach Zimt duftet. Ein winziger Klecks Sahne dazu hätte mir noch gut gefallen. Nun ja, vielleicht beim nächsten Mal.« Unser Großer entrüstet: »Papa, Sahne? Hast du nicht vor, abzunehmen?« Unsere kleine Tochter nahm diesen in Schutz, da sie meinte, dass der Papi so schön kuschelig bleiben könnte, wie er ist, was diesen sehr freute. Er ließ uns wissen, dass er bekanntermaßen an Genussinkonsequenz leide, aber auf baldige Besserung hoffe. Vielleicht würde es sogar eventuell schon gleich ab morgen besser mit Sport und gesundem Essen funktionieren. Er könnte sich durchaus vorstellen, wieder rank und schlank zu sein, wie früher. Aufmunternd sagte ich: »Schatz, alles, was du dir vorstellen kannst, ist auch umsetzbar. Sagst du nicht immer: Ich kann, ich will, ich werde? Hilfreich sind auch Fotos von früher, die du an deine persönlichen Gefahrenzonen, Kühlschrank und Süßigkeiten-Schublade anbringen könntest. Wenn du möchtest, werde ich dich bei allem unterstützen.«
 
Ernst räusperte sich kurz und sah mich an: »Du hast ja recht. Vielen Dank für deinen lieb gemeinten Zuspruch. Er hat mich noch mehr gewärmt als die gute Suppe. Nach diesem Tag war das alles genau richtig und hat mir gutgetan. Ja, heute war es mit neunzehn Grad wieder mal sehr kalt im Büro. Bestimmt auch bei euch in der Schule und der KITA, oder Kinder?« Diese nickten zustimmend, die Jungs immer noch genüsslich kauend. »Aber besonders schwierig für mich ist, das momentan kühl-frostige Klima zwischen einigen meiner Kollegen und Mitarbeiter. Das muss sich unbedingt ändern. Was sich dank meiner Anregung schon geändert hat, ist, dass es bei den Besprechungen nicht nur, wie üblich, Kaffee und Kekse gibt, sondern auch noch, wegen Corona und der Grippewelle, gesunden Hagebutten-Tee, Äpfel, Birnen und Nüsse. Alles aus heimischem Anbau. Das finde ich bei der Klimakrise und den Preisen notwendig.« Unsere Jungs seufzten und meinten, dass Ernst übertreiben würde.
 
Ernst lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück und schmunzelte. »Ich habe einige Ideen, wie der Büroalltag besser werden könnte. Was haltet ihr von einem warmen Wollschal statt Krawatte und zum Ohrenwärmen eine Pudelmütze für alle? Gibt bestimmt ein witziges Bild bei der nächsten Besprechung ab und hebt außerdem die Stimmung.«
 
Unsere Kleine kicherte: »Papi, jetzt im Advent könntest du deine Nikolaus-Mütze aufsetzen und einen langen weißen Bart ankleben. Sieht bestimmt süß aus.« Unsere Jungs lachten, der Mittlere steuerte weitere Ideen bei: »Papa, wie wäre es, wenn die Ladys im Büro statt hochhackiger Pumps warme Puschen tragen würden? Ich denke da an hübsche rosafarbene oder an die braun-karierten mit Reißverschluss vom Typ Oma. Frauen haben doch chronisch kalte Füße und sind dir sicher dankbar für diesen Tipp. Auch könntet ihr in den Pausen Party machen. Du nimmst deine Gitarre mit, andere vielleicht Keyboard oder Schlagzeug. Ja, und deine Sekretärin, die Klinger, und du, ihr singt dazu ein Duett. Wenn dann noch Platz zum Tanzen da wäre, ist gute Laune garantiert, und warm wird euch außerdem.« Ernst grinste. »Deine Ideen sind so cool, Sohnemann, dass ich sie gleich morgen an den Rektor eurer Schule weitergeben könnte. Ich bin sicher, dass auch er sie …« Beide gleichzeitig sehr aufgebracht: »Papa, du bist so peinlich. Wenn du das machst, dann …« Ernst grinste. »Jungs, ich verstehe eure Sorge nicht. Ich könnte ihm vorschlagen, dass ihr Schüler nicht nur im Musikunterricht Gitarre spielen und singen könntet, sondern auch in den Pausen. Wäre doch super.« Ich amüsierte mich. »Ernst, ja, eine gute Idee. Vielleicht könnte auch die altbewährte Wärmflasche vor allem für das weibliche Geschlecht irgendwie zum Einsatz kommen.«
 
Dieser schmunzelte und reckte beide Daumen in die Höhe: »Es sind wirklich sehr kreative Ideen dabei, die gleich morgen in einen Rundbrief kommen werden. Ich überlege gerade, ob ich zur Pausen-Party außer Mütze und Bart außerdem noch einen roten Mantel und Stiefel tragen sollte. Letzteres macht das Tanzen zwar etwas schwieriger, sieht aber bestimmt toll aus. Ja, und unsere Weihnachtsfeier wird wegen der Corona- und Klimakrise unter dem Motto stehen: Ein Hoch auf die Puschen und der Wollschal ist die neue Krawatte.«

Der Text wurde an die Vereinsmitglieder der "Kunstfreunde Wetter" und andere Interessierte weitergeleitet.
 


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