Unsere Geheimnisse - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Unsere Geheimnisse



„Oh Papa, du bist ja ein „Kavalier alter Schule“, dass du der Mama einfach mal so Blumen schenkst“, war der Kommentar unseres großen Sohnes, als mein lieber Ernst mit einem Blumenstrauß in der Hand das Wohnzimmer betrat. Ich war aufgestanden, um ihm entgegenzugehen, zu umarmen und sagte zum Großen: „Kommt öfter vor. Aber heute hat es einen bestimmten Grund“, und zu Ernst: „Schatz, das finde ich toll, dass du „unseren“ Tag nie vergisst. Herzlichen Dank für die schönen Blumen. Ich kann mich noch ganz genau an alles erinnern, was damals an diesem bedeutsamen Tag so passierte. Du auch?“, wollte ich von ihm wissen.
Er antwortete: „An alles. Wie könnte ich auch nur ein Detail vergessen. Du weißt doch noch, um unsere „Geheimsprache“ oder?“ Lächelnd sagte ich zu ihm: „Natürlich kann ich mich an unsere „geheime Sprache“ erinnern. Ich habe damals oft in meinen Gedichten und Geschichten die gleichen Worte und Inhalte benutzt, wie du für deine Songs. Ich glaube, ich wollte deine Gefühlswelt nachempfinden, dir dadurch nah sein. Ich wollte ein bisschen in deine Seele eintauchen. Es fand es sehr schön, als ich bemerkte, dass dir das gefallen hat, denn auch in deinen Songtexten waren meine Gedichte zu finden. Es war ein sehr romantisches und aufregendes Spiel zwischen uns. Ich glaube, wir haben schon damals erkannt, dass wir Seelenverwandte sind. Geheimnisvoll war, dass wir über diese Dinge nicht sprachen. Unsere Blicke haben uns genügt. Das alles hat mir sehr gefallen. Was macht man doch für verrückte Dinge, wenn man verliebt ist. Ich habe damals sogar Pizza Salami gegessen, um dir zu signalisieren, dass auch mir deine Lieblingssorte schmeckt, obwohl das absolut nicht der Fall war.“
Ernst sagte schmunzelnd: „Schatz, das war ja wirklich ein echter Liebesbeweis. Schade, dass ich es damals nicht geahnt habe, dann hätte ich mich nicht so anstrengen müssen, um dich zu erobern. Es war wirklich nicht so einfach, dich von mir zu überzeugen, denn du warst anders als die anderen Mädchen. Für mich warst du etwas ganz Besonderes. Ich habe extra nur für dich damals Jeans der Marke getragen, die du toll gefunden hast. Ich hatte die Hoffnung, du würdest es bemerken, auch die Tatsache, dass meine T-Shirts alle blau waren, weil es deine Lieblingsfarbe war.“
Unser Großer und seine Freundin hatten bis dahin ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen sehr amüsiert und gleichermaßen irritiert zugehört. Nun folgten Kommentare wie: „Papa, so kenne ich dich ja gar nicht! Sprachlosigkeit und Zurückhaltung sind doch sonst nicht deine Sache. Du warst ja ein richtiger Romantiker. Wie hast du denn nun die Mama erobert, denn ich bin ja der lebende Beweis, dass es irgendwie geklappt hat? Hattet ihr beide eigentlich auch noch „Dates“ mit anderen?“ Ich antwortete: „Dein Vater hatte immer reichlich weibliche Fans um sich geschart und zu der Zeit war gerade Felix mein ständiger Begleiter.“ Ernst grinste, als er sagte: „Nun, zwischen meinen vielen Dates habe ich aber ausschließlich nur an dich gedacht und Pläne geschmiedet, wie ich diesen Felix ausstechen könnte. Es sollte an einem Konzertabend meiner Band passieren. Und es wurde dann ja auch ein bedeutsamer Tag für uns, einfach „unser Tag“. Ich hatte damals eine Überraschung. Du weißt doch bestimmt noch genau, dass ich für dich einen ganz besonderen Platz reserviert hatte: erste Reihe, direkt am Mittelgang, natürlich auf der Seite, wo mein Platz auf der Bühne war. Und natürlich war neben deinem Platz alles reserviert und so hat dieser Felix wohl oder übel weiter hinten sitzen müssen. Ich hatte übrigens den Eindruck, dass dir dieser Platz sehr, sehr gefallen hat. Du wolltest diesen Felix doch bestimmt endlich loswerden. Hab ich recht?“ Ich sagte schmunzelnd: „Ernst, musst du denn immer den „Möchtegernmacho“ rauskehren. Ich habe damals eher gedacht: Na endlich wird Ernst deutlich! Das hat aber auch gedauert! Er ist doch sonst eigentlich nicht so schüchtern. Ach, es ist alles so lange her, aber die Erinnerungen sind trotzdem frisch. Schatz, du hast damals alles genau richtig gemacht. Ich war jedenfalls sehr beeindruckt von dir.“ Ernst sah mich liebevoll an, als er sagte: „Schatz, das Kompliment gebe ich sehr gern an dich zurück.“
Nun gab es vonseiten unseres Sohnes natürlich weitere Fragen und Kommentare zu „unserer Geschichte“: „Mama, wie ging es denn mit dir und diesem Felix weiter. Gab es noch Stress? Papa, wie haben denn deine „Mädels“ reagiert. Waren sie eifersüchtig? Was ist denn sonst noch so passiert. Papa, konntest du denn deine Schüchternheit an diesen Abend noch überwinden?“

Ernst und ich schauten uns lächelnd an und sagten fast wie aus einem Mund: „Ganz großes Geheimnis!“



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